Alumnus Fachbereich Biologie
Biologie (Diplom)
Abschlussjahr 1994

Sein Beruf führt ihn auf Entdeckungstour in ferne Länder

TUK-Alumnus Dieter Uhl, Abteilungsleiter Paläontologie und Historische Geologie im Senckenberg Naturmuseum, im Interview
An der TUK hat er Biologie mit der Vertiefung Botanik und Pflanzenphysiologie studiert.

Herr Uhl, können Sie uns zunächst etwas über Ihren bisherigen beruflichen Werdegang erzählen?

Nach dem Abschluss meines Studiums war ich etwas unentschlossen, wie es weitergehen sollte. Ich war hin und her gerissen zwischen Pflanzenphysiologie, dem Fach in dem ich mit viel Spaß meine Diplomarbeit angefertigt hatte, und der Paläontologie. Ich habe mich dann entschieden, nach Tübingen zu wechseln und dort mit einem Thema zur Aderungsdichte von Laubblättern als Paläo-Umweltproxy in der Paläontologie zu promovieren. Ein Schritt, den ich nie bereut habe!

Nach meiner Promotion bin ich an die Forschungsstelle für Paläobotanik der Uni Münster gewechselt, wo ich mich mit Fragen der Taxonomie und Fossilisierung jungpaläozoischer Koniferen beschäftigt habe. Nach diesem Projekt ging es zurück nach Tübingen, wo ich mich im Rahmen einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Eigenen Stelle wieder mit Paläoklimarekonstruktion beschäftigt habe. Diese Thematik führte mich danach für 18 Monate als Feodor Lynen-Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung nach Utrecht. Während dieser Zeit habe ich mich dann auch in Tübingen für das Fach Paläontologie habilitiert. Eine nach Utrecht folgende „Durststrecke“ habe ich als freiberuflicher Paläontologe, vor allem mit Auftragsarbeiten für die erdgeschichtliche Denkmalpflege in Rheinland-Pfalz, überbrückt.

Ende 2007 kam ich dann als wissenschaftlicher Mitarbeiter zu Senckenberg nach Frankfurt, wurde jedoch für 15 Monate an das Hessische Wissenschaftsministerium in Wiesbaden abgeordnet, wo ich mich sehr intensiv mit Forschungsförderung beschäftigen konnte. Zurück in Frankfurt habe ich dann die Leitung des Fachgebiets Paläoklima- und Paläoumweltforschung übernommen. Während der ganzen Zeit war ich weiterhin in Tübingen in der Lehre aktiv und 2010 hat mich dann die Uni Tübingen zum außerplanmäßigen Professor (apl. Prof.) ernannt. Am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum in Frankfurt habe ich ab 2013 zuerst kommissarisch, ab 2016 dann „richtig“ die Leitung der Abteilung Paläontologie und Historische Geologie übernommen.

Sie arbeiten heute in der Abteilung Paläontologie und Historische Geologie des Senckenberg Naturmuseums in Frankfurt am Main, einem der großen Naturkundemuseen in Deutschland. Welche Aufgaben übernehmen Sie und mit welchen Forschungsthemen setzen Sie sich dort auseinander?

Seit 2013 leite ich diese Abteilung, was ähnlich wie eine Universitätsprofessur eine überproportionale Zunahme der administrativen Aufgaben mit sich brachte. Hier war in den letzten Jahren vor allem der Umzug der gesamten Abteilung an einen anderen Standort in Frankfurt eine meist interessante, oft aber auch nervenaufreibende Aufgabe. Bei diesem Umzug wurden mehrere Millionen Sammlungsobjekte, von der einzelligen Foraminifere bis hin zu Mammutstoßzähnen, aber auch alle unsere Labors und sonstigen Arbeitsräume an einen anderen Standort bewegt, was sowohl in der Planung als auch in der Umsetzung eine ziemliche Herausforderung an die ganze Abteilung war. Aber wir haben es ohne größere Probleme und vor allem ohne Verluste an Sammlungsobjekten – eine Gefahr, die bei einem Sammlungsumzug natürlich immer droht – geschafft und sind nun gerade dabei, uns in den neuen Räumen einzurichten.
In der Forschung beschäftige ich mich vor allem mit der Frage, wie fossile Pflanzen zur Rekonstruktion von Paläoklima- und Paläoumweltbedingungen eingesetzt werden können, aber auch mit der Taxonomie fossiler Pflanzen. Ein Schwerpunkt ist seit mehreren Jahren die Rekonstruktion von Vegetationsbränden in der Erdgeschichte, um zu verstehen, wie sich Klimaänderungen auch auf dem Umweg über mehr oder weniger häufige und heftige Feuer auf die Evolution von Ökosystemen auswirken können. Auch wenn mich diese Forschungen in die ganze Welt geführt haben, bin ich hier der Pfalz insofern treu geblieben, als ich mich auch mit der Taxonomie fossiler Pflanzen aus pfälzischen Lagerstätten befasse.

Was macht Ihnen am meisten Spaß an Ihrem Beruf? Was finden Sie am spannendsten?

Mir macht vieles Spaß an meinem Beruf! Durch die Tätigkeit bei Senckenberg bekomme ich z.B. laufend tiefergehende Einblicke in ein breites fachliches Spektrum der organismischen Biologie und der Geowissenschaften, was mir hilft, meine breite naturkundliche Neugier zu befriedigen.
Am spannendsten finde ich bei meinem Job zum einen die Beschäftigung mit Museumssammlungen, denn hier kann man oft wissenschaftliche Schätze entdecken, die bisher noch nicht als solche erkannt wurden, und zum anderen natürlich die Geländearbeit, sei es im Rahmen von Prospektionen nach neuen Fundstellen oder bei Grabungen an bekannten Fundstellen. Spannend finde ich dabei vor allem, dass man im Gelände immer etwas entdecken kann, was noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Es hat immer etwas von Weihnachten an sich, wenn man z.B. eine Gesteinsplatte spaltet, um zu sehen, ob sich darin ein Fossil befindet oder nicht.

Was motiviert Sie als Forscher?

„Ein großer Teil meiner Motivation kommt schlicht und einfach aus meiner Neugier!“

Die Neugier, Neues zu finden und neue Zusammenhänge zu erschließen und dann aus diesen neuen Ergebnissen neues Wissen zu schaffen.
Was ich mache ist ja auch zu einem Großteil klassische von Neugier getriebene Forschung, wenn man das als Gegensatz zu angewandter Forschung sieht. Zusätzlich motiviert mich aber auch, dass man aus diesem aus Neugier geschaffenen Wissen wichtige Schlussfolgerungen für die Zukunft ziehen kann. So können Klimarekonstruktionen für vergangene Epochen der Erdgeschichte benutzt werden, um Klimamodelle, mit denen die zukünftige Entwicklung des Klimas prognostiziert werden soll, zu testen. Oder die Ergebnisse der Forschungen zu Waldbränden in der Erdgeschichte, die helfen können zu verstehen, wie sich zukünftige Klimaänderungen auf das Vorkommen und die Häufigkeit von Waldbränden auswirken können und wie das dann die Entwicklung verschiedener Ökosysteme beeinflussen könnte.

Welchen Herausforderungen sind Sie in Ihrem bisherigen Berufsleben begegnet und wie haben Sie diese gemeistert?

Es kommt immer darauf an, was man persönlich als Herausforderung betrachtet. Eine große Herausforderung der letzten Jahre war sicherlich der Umzug unserer Abteilung in ein neues Gebäude. Diesen hat meine Abteilung durch eine wirklich hervorragende Teamleistung gemeistert. Meine Aufgabe sah ich dabei ähnlich wie die des Leitenden Ingenieurs auf einem Schiff, der quasi mit der Ölkanne und dem Hammer in der Hand immer überall zugleich ist und mit ein paar Tropfen Öl hier und einem kleinen Hammerschlag auf ein klemmendes Teil dort die ganze Maschinerie am Laufen hält.

Was mir bei vielen Herausforderungen sehr geholfen hat, war, einen kühlen Kopf zu bewahren und nicht beim kleinsten Problem in Hektik oder gar Panik zu verfallen und auf jeden Fall auch einen Sinn für Humor zu behalten.

Das hilft ungemein, nicht nur bei der Einarbeitung in einen neuen Job, sondern auch wenn man mitten in der Wüste steht und sich um den Transport eines schwer verletzten Kollegen ins nächste Krankenhaus kümmern muss.

Haben Sie ein Erfolgsrezept?

„Beharrlich an einer Sache dranbleiben und sich nicht durch Rückschläge entmutigen lassen. Und vor allem in der Wissenschaft, das zu machen, was einem wirklich Spaß macht, denn nur das, was man gerne macht, macht man auch wirklich gut!“

Sie waren kürzlich mehrere Wochen in Brasilien beruflich unterwegs. Um was ging es bei Ihrer Reise und was haben Sie dort erlebt?

Die Kooperation mit brasilianischen Kollegen aus dem Bundessstaat Rio Grande do Sul läuft schon seit mehr als zehn Jahren. Schwerpunkt sind auch hier Vegetationsbrände in der Erdgeschichte, vor allem auf dem ehemaligen Südkontinent Gondwana. Neben der Geländearbeit in Südbrasilien, die natürlich immer ein Highlight ist, bin ich hier aber auch in die Lehre und die Betreuung von Master- und Doktorarbeiten an der UNIVATES in Lajeado, einem Mittelzentrum etwa eine Autostunde westlich von Porto Alegre, eingebunden.Reisen nach Südbrasilien sind für mich als überzeugten Pfälzer aber nicht nur aus fachlicher Sicht immer ein spannendes Erlebnis. In der Region haben sich im 19. Jahrhundert sehr viele Siedler aus Deutschland, vor allem aus der Westpfalz und dem Hunsrück, niedergelassen, und deren Nachkommen pflegen noch immer ihre alten Traditionen und ihre eigene Sprache. Diese Sprache, die offiziell als Riograndenser Hunsrückisch bezeichnet wird, kann ihre Verwandtschaft zum Pfälzischen nicht verleugnen und ich bin immer wieder überrascht, an welchen Orten und in welchen Situationen man mit breitestem Pfälzisch besser weiterkommt als mit Englisch. So kam schon einmal auf die Info des brasilianischen Kollegen (mit dem ich mich auch meist auf Deutsch unterhalte) an einen Landbesitzer mitten in der Pampa, dass man heute bei der Geländearbeit einen Kollegen aus Deutschland dabei habe, als Kommentar „Ey, do kennen mir jo Deitsch redde!“.

Wie hat Sie das Studium an der TUK auf Ihre heutige Tätigkeit vorbereitet?

Ich würde sagen, dass ich mir während meines Studiums in Kaiserslautern eine solide und breite biologische Grundbildung aneignen konnte, die es mir in einem fachlich so breit aufgestellten Institut wie Senckenberg ermöglicht, auch über den Tellerrand meiner eigenen Fachrichtung hinwegzuschauen.

Auch wenn es auf den ersten Blick nicht immer einsichtig sein mag, was Paläontologie mit z.B. Biochemie und Pflanzenphysiologie zu tun hat, sind es auch die Kenntnisse aus diesen Bereichen, die ich in Kaiserslautern erworben habe, die mir oft bei meinen Forschungen weiterhelfen.

Wenn Sie an Ihr Studium zurückdenken, gibt es etwas, woran Sie besonders gerne denken? Was ist Ihre schönste Erinnerung an die Studienzeit?

Als Student fand ich vor allem die vielen Exkursionen in die nähere und weitere Umgebung von Kaiserslautern interessant. Mit zu den schönsten Erinnerungen zählen dabei sicherlich die ornithologischen Exkursionen im Umkreis von Kaiserslautern, die damals Prof. Güttinger regelmäßig angeboten hat. Beginn war dabei immer kurz vor der Morgendämmerung und meist war hier die Zahl der Teilnehmer doch sehr klein, was aber gerade diese Veranstaltungen sehr familiär gemacht hat. Prägend waren aber auch Exkursionen zu paläontologischen Grabungen des Pfalzmuseums für Naturkunde und in das Senckenbergmuseum in Frankfurt. Aber nie hätte ich mir damals träumen lassen, dass ich einmal die Abteilung Paläontologie und Historische Geologie an eben diesem Hause leiten würde.

Haben Sie noch Kontakt zu Ihren ehemaligen Kommilitoninnen und Kommilitonen?

Zu einigen Kommilitoninnen und Kommilitonen aus dem damaligen näheren Umfeld habe ich noch einen mehr oder minder regelmäßigen Kontakt, aber leider habe ich die meisten dann nach meinem Wechsel in die Paläontologie aus den Augen verloren. Ich bin aber immer wieder überrascht, wo überall man dann eher zufällig auf ehemalige Kommilitoninnen und Kommilitonen trifft (z.B. beim Einkaufen auf der Zeil in Frankfurt oder beim Zoobesuch in Landau).

Was raten Sie unseren Studierenden im Hinblick auf ihre Berufswahl?

Man sollte sich nicht immer nur vom Mainstream leiten lassen, sondern auch seinen eigenen Interessen folgen. Allerdings sollte man unbedingt darauf achten, sich breite theoretische und praktische Kenntnisse zu erarbeiten, da man in der heutigen Zeit nie weiß, ob man nicht doch einen Plan B oder sogar C braucht, wenn es dann mit dem eigentlichen Traumziel aus welchen Gründen auch immer doch nicht klappt. Oft braucht man hier einfach Glück, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Das Glück kann man zwar nicht zwingen, aber man kann hier zumindest versuchen, durch gezieltes Networking nachzuhelfen.

2019

« Patricia Schweitzer